Mirkobenforschung in 10.000 Meter Tiefe
Welchen Einfluss hat die Hölle auf den Himmel? Bei dieser Frage geht es nicht um Theologie: Meereswissenschaftler nennen die tiefsten Tiefen der Ozeane nach dem Schattenreich der alten Griechen die „hadale“ Zone. Allerdings vermuten sie, dass es dort viel lebendiger zugeht, als im mythologischen Hades. Möglicherweise haben die Tiefseegräben sogar einen Einfluss auf das Weltklima. Motoren von FAULHABER helfen dabei, Antworten zu finden.
Der Mars ist viele Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Und doch ist seine Oberfläche besser erforscht, als der Boden der Tiefseegräben, die nur acht bis elf Kilometer unter dem Meeresspiegel liegen. Was dort an biologischen und chemischen Prozessen stattfindet, ist tatsächlich noch weitgehend unbekannt. Das soll sich mit einem Forschungsprojekt ändern, das passenderweise „Hades-ERC“ heißt und ganz neue Einblicke in die ozeanischen Abgründe ermöglichen soll. Es wurde von Professor Ronnie Glud von der Universität Süddänemark in Odense initiiert.
„In der Meeresbiologie gibt es eigentlich eine einfache Grundregel“, sagt er. „Je tiefer man hinuntergeht, desto weniger Lebewesen trifft man an.“ Denn mit zunehmender Tiefe wird es immer kälter und dunkler. Immer weniger von der Nahrung, die im oberflächennahen Wasser entsteht, gelangt nach unten. Außerdem steigt der Wasserdruck alle zehn Meter um 1 bar. In 10.000 Meter Tiefe herrscht also mit rund 1000 bar ein tausendfach höherer Druck als am Meeresstrand. „Doch die Schwerkraft wirkt auch in dieser Umgebung. Ein Teil des organischen Materials, das auf den tiefen Meeresboden sinkt, gelangt letztlich in die Gräben und sammelt sich dort an.“
Sammelbecken für Organisches
So war es für Professor Glud keine Überraschung, als er 2013 in fast elf Kilometer Tiefe Hinweise auf hochgradig aktive mikrobielle Lebensgemeinschaften fand. Damals hatte er seine Instrumente im Marianengraben im Westpazifik herabgelassen. „Wir haben in über 10.000 Meter Tiefe mehr organischen Umschlag gefunden als bei 6.000 Meter“, erklärt der Meeresforscher. „Deshalb gehen wir davon aus, dass die Gräben einen überproportional großen Einfluss auf die Stickstoff- und Kohlenstoff-Bilanz der Meere haben. Obwohl sie nur etwa zwei Prozent der Ozeanfläche ausmachen, könnten sie also überproportional auf die CO2-Bilanz und das klimatische Geschehen einwirken.“
Das Hades-ERC-Projekt soll nun solchen Fragen – buchstäblich – auf den Grund gehen und ein besseres Verständnis der Vorgänge in den Gräben ermöglichen. Es wird von dem zur EU gehörigen Europäischen Wissenschaftsrat finanziert. Ein sogenannter Advanced Grant von 2,5 Millionen Euro erlaubt es den Wissenschaftlern, langfristig ergebnisoffene Grundlagenforschung zu betreiben. Neben Gluds Fakultät in Odense sind auch die Meeresbiologen der Universität Kopenhagen sowie meereswissenschaftliche Institute aus Deutschland, Japan und Schottland beteiligt. Die ausgefeilten Instrumente wurden in Zusammenarbeit zwischen Odense und einem Team des Max Planck Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen entwickelt, das von Dr. Frank Wenzhöfer geleitet wird.
Das Projekt ist auf fünf Jahre ausgelegt. Die Untersuchungen werden von diesem Herbst an in drei pazifischen Gräben – dem Japan-, dem Atacama- und dem Kermandec-Graben – in Tiefen zwischen 8.100 und 10.900 Meter durchgeführt. Diese Formationen wurden ausgewählt, weil die organische Fracht im Wasser über ihnen ganz unterschiedlich ist. Sie bieten ihren mikrobiellen Bewohnern deshalb sehr verschiedene Bedingungen.
Roboter statt U-Boot
Es hat zwar schon bemannte Tauchgänge in solche Tiefen gegeben, doch für ausgedehnte Forschungseinsätze am Bodensediment wäre die Verwendung von U-Booten nicht praktikabel. Das Projektteam hat daher Roboter entwickelt, die eigenständig auf den Meeresboden sinken und dort vorprogrammierte Untersuchungen durchführen. Sie sind mit Sensoren ausgestattet, die unter anderem die Sauerstoffaufnahme der Bakterien messen können – ein Wert, aus dem man auf die Menge des verarbeiteten organischen Materials rückschließen kann.
Andere Sensoren ermöglichen Antworten auf die Frage, ob die Tiefseemikroben Sauerstoff, Nitrat oder Sulfat atmen. „Um unter den extremen Bedingungen der Tiefsee zu überleben, müssen sich die Bakterien von ihren Verwandten in flacheren Gewässern stark unterscheiden“, sagt Professor Glud. „Zum Beispiel müssen ihre Membrane und ihre Enzyme ganz anders funktionieren. Wie genau, das wollen wir herausfinden.“
Die Mikroben selbst zu untersuchen, ist eine besondere Herausforderung. Da sie an eine Umgebung mit enormem Wasserdruck angepasst sind, kann man sie nicht einfach an die Oberfläche holen. Sie würden sich unterwegs in eine „Suppe“ verwandeln, wie es der dänische Forscher bildhaft ausdrückt. Die Hades-ERC-Roboter sind deshalb auch mit Vorrichtungen bestückt, mit denen ein Fixierungsmittel ins Sediment gespritzt werden kann, das die Kleinstlebewesen während des Heraufholens intakt erhält.
Druckresistenz vorausgesetzt
Während diese vor dem sinkenden Druck beim Heraufholen geschützt werden müssen, braucht die Ausrüstung der Roboter besondere Vorkehrungen, um dem extremen Druck in den Gräben widerstehen zu können. Die Sensoren sowie die Werkzeuge für den Umgang mit dem Sediment sind speziell für diese Umgebung ausgestattet und halten den Druck aus. Damit sie ihre Arbeit tun können, brauchen sie aber Kontakt zum Sediment und müssen in verschiedene Positionen bewegt werden. Für diese Bewegung sind DC-Kleinstmotoren der Serie 2342 ... CR von FAULHABER mit Encoder und den passenden Planetengetrieben zuständig.
Während einige Komponenten von einem druckfesten Titan-Zylinder umschlossen sind, können andere Geräte, wie etwa der Motor und das Getriebe, ihre Arbeit nur im Kontakt mit der zu erforschenden Umgebung ausführen. „Deshalb haben wir diese Komponenten in einen weiteren Zylinder gesteckt und eine flexible Membran verpackt, die mit einer inerten Flüssigkeit gefüllt ist“, erklärt Professor Glud. „Die Membran sorgt dafür, dass der Wasserdruck auf die eingeschlossenen Komponenten wirkt, ohne dass ein Druckunterschied entsteht. Denn dieser würde die Motoren zerquetschen.“
In einer früheren Version des Roboters waren noch verschiedene Motoren für seine unterschiedlichen Aufgaben im Einsatz. Im Praxistest ist das Team aber zu dem Schluss gekommen, dass es sinnvoller ist, mit nur einem, besonders robusten Motortyp zu arbeiten. „Der Roboter bleibt viele Stunden an seinem Einsatzort, bevor er mit den Proben wieder nach oben kommt. In dieser Zeit arbeitet er völlig selbständig“, erklärt Professor Glud. „Unser Erfolg hängt unter anderem davon ab, dass die Geräte währenddessen einwandfrei funktionieren. Der Motor muss also ausgesprochen zuverlässig, kompakt und stark sein. Das Modell von FAULHABER hat sich in der Tiefe hervorragend bewährt und ist für den Einsatz unter diesen extremen Bedingungen bestens geeignet.“