Auf EU-Ebene ist repetitive Arbeit der größte Risiko- faktor. 74 Prozent der Beschäftigten in der EU sind zu mindestens 25 Prozent ihrer Arbeitszeit wiederholten Arm- oder Handbewegungen ausgesetzt. Laut Bundes- amt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind Muskel- Skelett-Erkrankungen (MSE) die häufigste Ursache für eingeschränkte Einsatzfähigkeiten im Beruf, Schwer- behinderungen, vorzeitigen Ruhestand und zeitweiser Arbeitsunfähigkeit. Laut einer Erhebung der Europä- ischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz leiden 45 Prozent der Befragten unter schmerzenden oder ermüdenden Körperhaltungen bei der Arbeit, 25 Prozent unter Rückenschmerzen und 20 Prozent unter Muskelschmerzen. Studien zufolge könnte bis 2030 jeder Zweite von MSE-bedingten Erkrankungen betroffen sein. Mehr Kraft in der Hand Ironhand ® der schwedischen Firma BIOSERVO TECHNOLOGIES ist ein weiches aktives Exoskelett für Hände und Finger. Normalerweise wird ein Handgriff von den Muskeln im Unterarm und der Hand ermöglicht. Diese Muskeln ziehen an Sehnen und bewegen so die Fingerglieder. Iron- hand ® funktioniert analog: druckempfindliche Sensoren in den Fingerspitzen des Handschuhs erkennen den Griff, den die Nutzer mit der Hand ausführen. Ein im System integrierter Rechner berechnet die zusätzlich notwendige Griffkraft und kleine Servomotoren ziehen dünne Kabel in den Fingergliedern. Je höher der Druck auf die Sensoren, desto mehr Leistung liefert Ironhand ®. Der Handschuh kann individuell auf persönliche Präferenzen sowie die Art der auszuführenden Arbeit eingestellt werden. Die Sammlung von Daten ermöglicht eine digitale Risikobewertung der Hand und die Integration des Nutzers in das Industrie 4.0 / Fabrik-der-Zukunft-Konzept. Griff- intensive Anwendungsfälle mit hohem ergono- mischen Risiko lassen sich durch die Analyse der Daten in der Praxis identifizieren und entspre- chend gegensteuern. 26 0 1 . 2 0 2 0 H U M A N A U G M E N T A T I O N Arbeitsbedingte Erkrankungen des Nackens und der oberen Extremitäten wirken sich auf Hals, Schul- tern, Arme, Hände, Handgelenke und Finger aus und verursachen Kribbeln, Taubheitsgefühl, Unbehagen oder Schmerzen. Der Einsatz vibrierender Werkzeuge oder Kälte können diese Probleme verstärken. Auswir- kungen sind verminderte Beweglichkeit oder Griffstär- ke. Beides kann bei der Arbeit weitere Gefahren ver- ursachen, etwa wenn ein Beschäftigter ein Werkzeug nicht mehr sicher halten oder bedienen kann. Darüber hinaus sorgt der demografische Wandel dafür, dass die Gesellschaft immer älter wird und län- ger im Berufsleben steht. Eine verbesserte Ergonomie am Arbeitsplatz wird daher immer wichtiger – sowohl für gesunde als auch für bereits körperlich einge- schränkte Personen. Neben Lösungen, die den eigent- lichen Arbeitsplatz, wie zum Beispiel die Werkbank, den Schreibtisch oder das Fließband ergonomischer machen, setzen Unternehmen verstärkt auf Lösungen zur Augmentation. Exoskelette, die wie Kleidung am Körper getragen werden, sind eine Lösung. Individuell und vielseitig Der Handschuh ist in vier verschiedenen Größen erhältlich und kann von Links- und Rechtshändern getragen werden. Im Akkupack, das wie ein Rucksack getragen wird, befinden sich sowohl eine Rechnereinheit als auch die Motoren, die die einzelnen Fingerglieder steuern. Nutzer können ver- schiedene Profile voreinstellen, die unterschiedliche Kom- binationen aus Sensorempfindlichkeit, Kraft, Fingersymme- trie und Verriegelungstendenz beinhalten. Um die Profile zu wechseln, reicht ein Knopfdruck auf die im Brustbereich angebrachte Fernbedienung. Über diese Profile ist es beispielsweise möglich, im Laufe eines Arbeitstages flexibel auf unterschiedliche Anforde- rungen zu reagieren. Etwa, wenn man am Vormittag leicht belastende Aufgaben durchführt und am Nachmittag Tätig- keiten anstehen, die die Muskulatur stark belasten. Auch können so verschiedene Nutzerinnen und Nutzer mit einem System arbeiten. Maximal kann das System innerhalb von Millisekunden 80 N Griffkraft zur Verfügung stellen. Das System ist dabei so gestaltet, dass es das Tragen der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA), etwa Schutzhand- schuhe, Absturzsicherungen, Helme oder Warnkleidung nicht behindert. Für Pausen kann es ohne fremde Hilfe an- und abgelegt werden. Die Leistung der Akkus im Netzteil sind für einen typischen Arbeitstag ausgelegt.