Prothetik mit Nachteilen
Verfolgt man Sportmeisterschaften von Menschen mit Handicaps wie die Paralympics, ist man erstaunt, auf welch hohem Niveau sich die Prothetik unserer Zeit befindet. So durfte im Sommer 2014 der deutsche Weitspringer Markus Rehm nicht mit zur Leichtathletik-Europameisterschaft reisen, weil der deutsche Verband befürchtete, dass er mit seiner Carbon-Beinprothese gegenüber gesunden Sportlern beim Absprung einen Vorteil habe. Und doch haben die raffinierten Prothesen aus Carbon und anderen Materialien einen entscheidenden Nachteil:
Der Träger kann sie nicht wirklich wie das verlorene Körperteil einsetzen. Auf dem Markt verfügbare Handprothesen etwa erkennen Muskelbewegungen im Stumpf und ermöglichen dem Träger, die Hand zu öffnen und zu schließen sowie Gegenstände zu greifen. Ohne eine Rückmeldung der sensorischen Information an das Nervensystem kann der Träger aber nicht spüren, was er zu greifen versucht, und er muss seine Prothese ständig im Auge behalten, damit er die Gegenstände nicht zerdrückt.
Vergleichbar mit einer natürlichen Hand
Einen großen Schritt weiter ist man mit dem Projekt LifeHand 2. Die künstliche Hand ermöglicht dem Träger Faszinierendes: Er kann Gegenstände mit angepasstem Druck greifen und spürt über Tastsensoren, welche Beschaffenheit sie haben. Selbst welche Finger genau Kontakt zum Objekt haben, kann der Träger fühlen. Die Größe und das Gewicht der Prothese sind dabei vergleichbar mit denen einer natürlichen Hand. Die LifeHand 2 ist mit Sensoren ausgestattet, die Berührungen erfassen, indem sie die Spannung in den künstlichen Sehnen messen und die Fingerbewegung steuern. Diese Daten werden in elektrische Signale umgewandelt, die an die Nerven übertragen werden. Möglich ist dies über Elektroden an den Nervenfasern, die Signale in das Gehirn des Trägers leiten. Ein Computer übersetzt die Signale aus den Sensoren in Impulse, die die Nerven interpretieren können. Sie werden über Elektroden an den Mittelarmnerv (Nervus medianus) und den Ellennerv (Nervus ulnaris) weitergegeben.
Ein internationales Forscherteam hat die bionische Handprothese an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) entwickelt. Sechs Forschungseinrichtungen aus Italien, der Schweiz und Deutschland waren beteiligt. Professor Silvestro Micera und sein Team von der Scuola Superiore Sant’Anna (SSSA) in Italien entwickelten das System einer sensorischen Rückmeldung, dank dem Patienten beim Berühren und Bewegen von Gegenständen wieder etwas spüren können.
Im Februar 2013 wurde im Rahmen einer klinischen Studie in Rom unter der Aufsicht von Paolo Maria Rossini im Gemelli-Spital in Rom ein Prototyp der LifeHand 2 getestet. Der Däne Dennis Aabo Sørensen stellte sich als erste Testperson für die Life-Hand 2 zur Verfügung. Er hatte neun Jahre zuvor bei einem Unfall seine linke Hand verloren. Vier mikroskopische Schnittstellen wurden in die Hauptnerven seines linken Arms eingesetzt. Nachdem die Elektroden operativ angebracht und die Wunden verheilt waren, konnte die Prothese angeschlossen werden. Berührte Sørensen Gegenstände, erzeugten die Sensoren der Prothese Informationen, die von einem Computer verarbeitet und durch einen Stimulator zu den in den Nerven implantierten Elektroden und schließlich zu seinem Gehirn weitergeleitet wurden. Das alles geschah in weniger als 100 Millisekunden. Bei solch minimalen Zeitabständen nimmt der Mensch keine Verzögerung in der Übermittlung wahr. Sørensen konnte in Echtzeit die Form, die Konsistenz und die Lage von Gegenständen erkennen und diese Informationen nutzen, um nach ihnen mit dem richtigen Griff und dem richtigen Kraftaufwand über die Steuerung der Finger zu greifen.
Das Forschungsteam war überrascht, wie schnell es Sørensen gelang, die Prothese zu steuern. Für die Tests haben die Forscher Sørensen die Augen verbunden und ihn dann gebeten, Objekte mit der LifeHand zu greifen. Es gelang ihm, sowohl die Stärke seines Griffs zu kontrollieren als auch die Form und Beschaffenheit der Gegenstände zu beschreiben, obwohl er sie nicht sehen konnte.
Filigrane Motoren von FAULHABER
Die filigrane Arbeit, die der Daumen und die Finger der LifeHand vollbringen, werden von DC-Kleinstmotoren aus dem Hause FAULHABER umgesetzt. Mit einem Motordurchmesser von 13 Millimetern und einer Motorlänge von 31 Millimetern sind die Motoren leicht und kompakt. Das Besondere an den FAULHABER DC-Motoren ist ihr Rotor, der nicht auf einen Eisenkern gewickelt ist, sondern aus einer freitragenden, in Schrägwicklung hergestellten Kupferspule besteht. Der FAULHABER Rotor überzeugt auch beim Lifehand-Projekt durch ein äußerst geringes Trägheitsmoment und einen rastfreien Lauf.
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