SDSS steht für „Sloan Digital Sky Survey“ und ist ein Kooperationsverbund von Astrophysikern aus der ganzen Welt. Im vergangenen Jahr haben sie bereits die bisher größte 3D-Karte des Universums vorgestellt und damit einen Meilenstein der astronomischen Forschung markiert. Mit zahlreichen Teleskopen und anderen wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet, arbeiten die Forscher ständig an einer ganzen Reihe von Projekten. Das neuste ist SDSS V, das einen weiteren qualitativen Sprung im Verständnis der physikalischen Vorgänge im Weltall ermöglichen soll. Das Vorhaben will die „erste spektroskopische Beobachtung des gesamten Himmels in verschiedenen astronomischen Zeitdimensionen im optischen und infraroten Lichtspektrum“ ermöglichen. Insgesamt sollen dabei mehr als sechs Millionen Objekte ins Visier genommen werden.
Wie Planeten entstehen
Zu den Zielen dieser Anstrengung gehört unter anderem die der Rekonstruktion der Geschichte unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße. Außerdem will man die Entstehung der chemischen Elemente zurückverfolgen, das Innenleben von Sternen entschlüsseln, die Entstehung von Planeten untersuchen und viele der offenen Fragen beantworten, die es im Hinblick auf Schwarze Löcher nach wie vor gibt.
Ein weiterer Aspekt ist die Kartierung der interstellaren Gasmassen der Milchstraße – tausendmal genauer als bisher –, um damit die „selbstregulierenden Mechanismen galaktischer Ökosysteme“ zu beschreiben. Die Daten über die Schwarzen Löcher und für die Vermessung der Milchstraße sollen zwei große Teleskope sammeln: Apache Point in New Mexico und Las Campanas in Chile. „Mit der doppelten Perspektive von der nördlichen und der südlichen Hemisphäre können wir am Himmel in alle Richtungen blicken“, erklärt Jean-Paul Kneib, Professor für Astrophysik an der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne in der Schweiz. „Dafür haben wir die beiden Teleskope auch in bisherigen SDSS-Projekten benutzt. Mit SDSS V schaffen wir jetzt einen echten Quantensprung, was die Effizienz der Beobachtung und die Menge der erhobenen Daten angeht.“
Supernova erwischen
In den Teleskopen sind optische Fasern platziert, die auf bestimmte Objekte im Universum ausgerichtet werden. So lassen sich einzelne Sterne oder die leuchtenden Akkretionsscheiben von Schwarzen Löchern gezielt beobachten und auswerten. „Bisher mussten wir für unterschiedliche Beobachtungsaufgaben jeweils spezielle Platten anfertigen lassen. Die Vorbereitung jeder einzelnen Platte dauerte mehrere Wochen. Anschließend wurden die Fasern von Hand in der Platte befestigt – ein sehr aufwendiger und zeitraubender Vorgang“, berichtet Jean-Paul Kneib.
Mit der für SDSS V eigens entwickelten neuen Technologie wird das Neuanordnen der Fasern statt Wochen nur noch höchstens eine Minute dauern. Denn die Ausrichtung der Fasern übernehmen je 500 kleine Roboter in den beiden Teleskopen, die von den Astronomen „Astrobots“ genannt werden. Das erlaubt den Forschern auch, sofort auf unvorhergesehene kosmische Ereignisse zu reagieren.
Wenn zum Beispiel andere Teleskope ein aktuelles Ereignis wie eine Sternenexplosion entdecken, kann eines der optischen Elemente praktisch ohne Zeitverzug darauf ausgerichtet werden. Das erlaubt eine detaillierte Analyse der physikalisch-chemischen Abläufe in einer Zeitspanne der Supernova- Entwicklung, die vorher für diese Art von Instrumentarium gar nicht zugänglich war.
Auf wenige Mikrometer genau
Die Astrobots bestehen jeweils aus zwei längs angeordneten schlanken Zylindern mit einem gebogenen Fortsatz am vorderen Ende. Der hintere, dickere Zylinder ist in der Platte des Teleskops befestigt. Er bildet die Alpha-Einheit und dreht die Zentralachse des Roboters. Auf dieser ist vorn die Beta-Einheit exzentrisch montiert. Sie bewegt die Faserspitzen im gebogenen Ende ebenfalls auf einer Kreisbahn.
Durch die Kombination der beiden axialen Bewegungen können die Faserspitzen innerhalb einer kreisförmigen Fläche beliebig positioniert werden. Jeder Kreis, den einer der Roboter abdeckt, überschneidet sich teilweise mit den Kreisflächen der benachbarten Einheiten. Auf diese Weise lässt sich im Erfassungsbereich des Teleskops jeder Punkt am Himmel automatisch anpeilen.
In jedem Astrobot sind drei optische Fasern angeordnet. Je eine ist für Licht im sichtbaren und im infraroten Spektrum ausgelegt. Eine dritte dient der Kalibrierung. Mit ihrer Hilfe werden die Faserspitzen in drei Schritten auf wenige Mikrometer genau in Position gebracht: In einer ersten Grobausrichtung drehen sich die beiden Motoren, bis die für die Beobachtung vorgesehene Faser mit einer Abweichung von durchschnittlich 50 Mikrometer auf das Zielobjekt gerichtet ist. Eine Kamera im Teleskop, die auf die vorderen Roboterenden schaut, erfasst nun die Spitze der Kalibrierfaser und vermisst ihre Position. In zwei weiteren Annäherungsschritten wird der Roboterkopf dann auf weniger als fünf Mikrometer genau in Position gebracht.
Schneller forschen
„Da wir mit der automatischen Ausrichtung enorm viel Zeit sparen, können wir viel mehr Objekte beobachten und entsprechend mehr Einzelmessungen vornehmen“, erläutert Jean-Paul Kneib. „Dieser Effekt wird durch die hohe Präzision noch weiter potenziert. Der Durchmesser der optischen Faser beträgt hundert Mikrometer. Der Durchmesser des Lichtpunktes, der von einem beobachteten kosmischen Objekt im Teleskop auftrifft, ist etwa genauso groß. Je exakter diese beiden kleinen Flächen übereinander liegen, desto mehr Lichtausbeute haben wir für unsere Messungen, und desto schneller bekommen wir valide Ergebnisse.“
Die technischen Voraussetzungen für diese extreme Genauigkeit liefern Motoren und Getriebe von FAULHABER sowie die eigens für diese Anwendung entwickelte Mechanik von der FAULHABER-Tochter MPS. Die beiden Roboterachsen werden von bürstenlosen DC-Servomotoren angetrieben, aus der Serie 1218 ... B für die Alpha und 0620 ... B für die Beta-Achse. Die ersten beiden Ziffern der Typbezeichnung zeigen den Durchmesser der Kleinstantriebe an: zwölf und sechs Millimeter. Ihre Kraft wird von passenden Planetengetrieben in die Robotermechanik übertragen. Sie wurde von MPS entwickelt und gebaut. Integrierte Encoder melden die Drehposition der Motoren an die Steuerung.
Spielfreie Präzision
„Um die geforderte Präzision zu erreichen, mussten wir das Spiel im System beseitigen“, erläutert Stefane Caseiro, der bei MPS für das Design der Komponenten verantwortlich war. Dafür haben die Ingenieure unter anderem die übliche Kupplung zwischen den Getriebeschäften und den mechanischen Achsen des Roboters durch Klemmverbindungen ersetzt sowie eine Druckfeder eingebaut, um das Getriebe spielfrei zu machen. „Allein die passende Feder zu finden hat mehrere Monate gebraucht“, erinnert sich der MPS-Ingenieur.
Die Suche nach dem richtigen Partner für diese technische Entwicklung hat das Team von Professor Kneib weniger Zeit gekostet. „Es gibt auf der ganzen Welt nicht mal eine Handvoll Hersteller, die Kleinstmotoren in der geforderten Qualität und Haltbarkeit produzieren können“, sagt der Astrophysiker. „FAULHABER stand selbstverständlich mit auf der kurzen Liste der Firmen, die wir um ein Angebot baten. Mit MPS hatten wir schon bei einem früheren Projekt erfolgreich zusammengearbeitet. Die räumliche Nähe zu diesen Spezialisten ist natürlich auch von Vorteil – von der Hochschule in Lausanne zu MPS in Biel fährt man nur knapp anderthalb Stunden. Neben der hervorragenden Qualität und den guten gemeinsamen Erfahrungen war es ein ganz entscheidendes Argument, dass FAULHABER mit dem Tochterunternehmen MPS alles aus einer Hand liefern kann.“