Sind Filmaufnahmen mit Qualitätsanspruch in der Natur schon auf dem Land schwierig, so sind Aufnahmen auf dem Wasser noch deutlich schwieriger. Einerseits ist man noch stärker vom Wetter abhängig, andererseits sind die Reisen vor Ort extrem aufwändig und nicht beliebig wiederholbar. Das bedeutet, dass jede Aufnahme zwingend optimale Ergebnisse bringen muss, denn „Klappe, neuer Versuch“ ist meist nicht drin. Im vorliegenden Einsatzfall wurde ein 8 m langes und 2,5 m breites Schlauchboot mit einem 200-PS-Außenborder als „Einsatzfahrzeug“ gewählt. Mit diesem Boot konnte sowohl in küstennahen flachen Gewässern wie auch auf hoher See die Kameraausrüstung transportiert werden. Die Stabilisierungseinrichtung an Bord setzte sich zusammen aus der Plattform Thetys, einem 4,5 m langen Auslegerkran und dem Gestell zur Montage auf dem Boot. Am Bug montiert musste dabei das zulässige Gewicht beachtet werden, um die Seegängigkeit des Bootes nicht zu sehr zu beeinträchtigen. Diese Vorgaben forderten, dass der Kran bei 4,5 m Länge und einem Gewicht von 300 kg die Stabilisierungsplattform mit 75 kg Eigengewicht plus Kameranutzlast tragen kann. Die Plattform selbst stabilisiert Kameraequipment bis zu 40 kg.
Fixpunkt im Raum
In einem Boot gibt es wie bei Flugzeugen Bewegungen in allen drei Raumrichtungen. Gieren, Rollen und Stampfen sind dabei oft mit harten Schlägen verbunden, mechanischen Einflüssen, denen alle Komponenten trotzen müssen. Silentblöcke können dabei nur einen Teil, z. B. die Motorvibrationen, abblocken. Da die Ausgleichsbewegungen in Echtzeit stattfinden müssen, ist erstens eine schnelle Datenverarbeitung gefragt und zweitens ein Antriebssystem, das schnell und möglichst spielfrei die entsprechenden Rechnervorgaben umsetzt. Für die nötige Rechenleistung sorgt ein Pentium-Prozessor mit 1-GHz-Takt. Die Montageplatte für die Kamera wird über drei Gyroskope in allen Raumrichtungen stabilisiert. Die optische Nachführung, d. h. den Ausgleich der Schwankungen, um das Objektiv immer auf das Motiv auszurichten, übernehmen je zwei Antriebssysteme pro Raumachse.
Höchstleistung bei minimalen Abmessungen
Leistungsbegrenzende Faktoren für schnelle dynamische und dabei exakte Bewegungen sind das Losbrechmoment des Motors, das Getriebespiel und der Wirkungsgrad des Getriebes. Das nichtlineare Verhalten dieser Einflussfaktoren erschwert die Berechnung der Steuerbefehle im Computer. Der eigentliche Antrieb besteht aus einem 24-V-DC-Motor mit 38 mm Durchmesser und einem durchmesserkonformen Planetengetriebe von FAULHABER. „Die Hauptvorteile der Antriebe“, erklärt Jaques Perrin, Regisseur und Mitentwickler der Stabilisierungsplattform, „liegen im rastmomentfreien Lauf. Zudem haben sie keine Eisenverluste und bieten eine hohe Dynamik durch das kleine Rotorträgheitsmoment. Die hohe Leistungsdichte kommt unserer Anwendung ebenfalls zugute.“ Die Motoren leisten bei 400 g Eigengewicht 220 W. Die dreistufigen Getriebe (Untersetzung 1 : 64) erhöhen das Nenndrehmoment auf 15 Nm. Das Maximaldrehmoment, z. B. für Notaus-Situationen, liegt bei 30 Nm. Um die Ansprechgenauigkeit zu erhöhen und das tote Spiel der Getriebe zu minimieren, arbeiten je zwei Antriebe in „push-pull“-Anordnung auf einer Achse. Mit weniger als 2 kg Gewicht ist diese Antriebslösung das Optimum, was sowohl schnelle Reaktion wie auch robuste Auslegung angeht. Ebenfalls aus dem FAULHABER-Programm übernommen wurde die Motoransteuerung. Eine mit 50 kHz getaktete 4-Quadranten-Pulsweitenmodulation erlaubt feinfühlige Motorbewegungen. Mit bis zu 10 A stellt die Steuerung auch bei heftigen Ausgleichsbewegungen die nötige Stromversorgung sicher. Moderne Kleinstantriebe und abgestimmte Zubehörkomponenten wie Getriebe und Ansteuerungen erlauben den schnellen Aufbau auch ausgefallener und komplexer Aktorik. Hohe Leistung auf kleinstem Raum, geringe Masse und trotzdem hohe Dynamik, gepaart mit exakter Positionierung, eröffnen in vielen Bereichen neue Möglichkeiten.