Synergie von Mikroelektronik und Mikrotechnik
Der Einsatz von Roboterhänden in der industriellen Fertigung beschränkte sich seither auf robuste Zwei- und Drei- Finger-Greifer zur Ausführung von mehr oder weniger einfachen Bewegungen. Hände für filigranere Aufgaben scheiterten bis dato an den zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten.
Das positive Zusammenwirken von Mikroelektronik und Mikromechanik bringt nun den ersehnten Fortschritt. Die Entwicklung schreitet hier rasant voran, sodass Roboterhände mit separat ansteuerbaren Fingern und den menschlichen Händen nachempfundenen Gelenken nicht länger Fiktion, sondern wohl bald auch im Arbeitsalltag zu finden sind.
Die menschliche Hand ist eines der universellsten Werkzeuge in der Natur. Die Vorzüge dieser evolutionären Konstruktion wollen Forscher nun auch auf eine neue Generation von Roboterhänden übertragen. Mit Hilfe kleinster Antriebs- und Hochleistungsbustechnik hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Zusammenarbeit mit dem Harbin Institute of Technology (HIT) eine
solche, menschenähnliche Roboterhand bereits entwickelt.
Um eine den menschlichen Fertigkeiten nachempfundenen Hand zu bauen sind mindestens vier Finger notwendig, drei um auch konische Teile zu umfassen und ein Daumen als „Gegenlager“. Die neue Roboterhand besteht daher aus drei Fingern mit je vier Gelenken in drei Freiheitsgraden. Der vierte Finger, als Daumen ausgebildet, verfügt über vier Freiheitsgrade. Die dadurch mögliche Bewegungsvielfalt muss selbstverständlich sinnvoll angesteuert und überwacht werden. Leistungsfähige Informationskanäle sind dabei die Grundvoraussetzung.
Bustechnologie für die „Nerven“
Wurden früher die Roboterfinger per Seilzug bewegt, so erlaubt es die Mikrotechnik heute den Motor direkt in den Finger einzubauen. Hierbei muss allerdings ein besonderes Augenmerk auf die Versorgung des Steuerungsrechners mit notwendigen Positions- und Betriebsdaten gelegt werden. Nur so kann der diskrete Antrieb vor Ort seine Stärken voll ausspielen. Jedes Fingergelenk ist daher mit je einem selbst entwickelten kontaktlosen Winkelsensor und einem Drehmomentsensor ausgestattet.Da beide Sensoren anwendungsbedingt sehr hoch auflösen müssen, überträgt ein Bus die anfallende Datenflut. Gerade bei feinfühligen Arbeiten ist eine schnelle Rückkopplung zum Vergleich von Soll- und Istwert ausschlaggebend für die Funktion der Steuerung. Neben der Datenmenge ist daher vor allem der Zeitfaktor wichtig.
Der speziell für diese Anwendung entwickelte handinterne, echtzeitfähige 25-Mbps-Hochgeschwindigkeitsbus basiert auf FPGAs (Field Programmable Gate Arrays). Für die externe serielle Verbindung von Hand und Steuerungsrechner sind nur drei Leitungen nötig. Die eigentliche Steuerung, ein Signalprozessor auf einer PCI-Steckkarte, ist in einen handelsüblichen PC integriert. Eine bedienerfreundliche Schnittstelle erlaubt so die Steuerung der „Hand“ vom PC aus.
Alle Sensordaten können dabei auf dem Bildschirm angezeigt werden. Datendarstellung, Steuerung und die Verbindung Hand zu Rechner wurden im Hinblick auf den zukünftigen Einsatz in industrieller Umgebung von Anfang an praxistauglich ausgelegt. Neben den „Nerven“ und dem Rechen- „Gehirn“ benötigt eine funktionierende Hand natürlich auch „Kraft spendende Muskeln“.
Miniaturantriebe ersetzen Muskelkraft
Die enorme Komplexität der neuen Roboterhand hat ihren Preis. Für jeden Finger sind mehrere separat ansteuerbare Antriebe nötig. Im vorliegenden Fall sind pro Hand zwölf elektronisch kommutierte Gleichstrommotoren (EC-Motoren) mit analogen Hallgebern im Einsatz. Die Wahl fiel hierbei auf Antriebe des Kleinmotorenspezialisten FAULHABER, da diese Antriebe gleich mehrere Forderungen erfüllten. Es sind preiswerte, kommer ziell verfügbare Produkte mit hoher Leistungsdichte bei geringstem Bauvolumen. Für die Vier-Finger-Roboterhand wurden bürstenlose DC-Servomotoren mit 16 mm Durchmesser ausgewählt. Diese können mit Getriebe gleichen Durchmessers zu einer durchgängigen Einheit verbunden werden. Die Motoren sind in 12 V und 24 V Ausführung lieferbar und leisten 11 W bei einem maximalen Dauerdrehmoment von bis zu 2,6 mNm. Ein gutes dynamisches Verhalten auch bei Drehrichtungswechsel und vorgespannte Kugellager sorgen für präzises Ansprechverhalten auf Steuerungsbefehle. Die standardmäßig verbauten analogen Hallgeber melden der Steuerung dabei immer exakt die tatsächliche Position und erlauben die nötige feinfühlige Rückmeldung mit mindestens 8 Bit Auflösung. Hallgeber und Motor bilden dabei eine nur 28 mm lange Einheit mit 16 mm Außendurchmesser bei einem Gewicht von lediglich 31 g. Die Motoren drehen im Leerlauf mit 29.900 U/min. Um diese hohen Drehzahlen für den Einsatz in der „Hand“ zu reduzieren und gleichzeitig das Drehmoment zu erhöhen, werden die Antriebe mit passenden Ganzmetall-Planetengetrieben, ebenfalls aus dem breiten Standardangebot von FAULHABER kombiniert. Mit Untersetzungen von 3,7 : 1 bis 5647 : 1 steht eine große Auswahl zur Verfügung. Bei der genannten Anwendung beträgt das Untersetzungsverhältnis 159 : 1. Das zulässige Drehmoment steigt so auf maximal 450 mNm an. Dabei wiegt das Getriebe selbst nur 33 g bei 29,4 mm Baulänge. Dank der kompakten Antriebstechnik mit Rückmeldung und schneller Datenweiterleitung per Bustechnik ist die neue HIT-DLR-Hand sehr feinfühlig und präzise zu steuern. Mikrotechnik und Mikroelektronik ergänzen sich so perfekt. Schon heute lassen sich mit Standardbauteilen und einem guten Konzept Produkte herstellen, die früher selbst mit teuren Spezialentwicklungen undenkbar waren.