Einen zweiphasigen Schrittmotor in Mikroschritten zu betreiben ist verlockend. Die Vision eines hybriden 1,8-Grad Schrittmotors mit 256 Mikroschritten geht Ihnen nicht aus dem Kopf. Eine Auflösung von 51.200 Mikroschritten pro Umdrehung hat ihren ganz eigenen Reiz. Und Sie sind froh, keine Aktien von Firmen zu halten, die hochauflösende Encoder herstellen.
Wenn Sie die Anzahl der Mikroschritte pro Vollschritt erhöhen, müssen Sie hinnehmen, dass das INKREMENTALE Drehmoment pro Mikroschritt drastisch abfällt. Die Auflösung wird höher. Dabei leidet allerdings die Genauigkeit. Nur bei wenigen Schrittmotoren ist das Verhältnis von Drehmoment zu Wellenposition sinusförmig und bei allen treten Oberwellen auf, die die Kurve verzerren und die Genauigkeit beeinflussen (siehe obenstehendes Diagramm). Auch wenn Mikroschrittantriebe schon ziemlich weit entwickelt sind, nähern sie eine echte Sinuskurve nur an.
Es ist außerdem wichtig anzumerken, dass jegliches Lastmoment eine magnetische Rückwirkung erzeugt, die den Rotor so lange aus der gewünschten Position bringt, bis der Motor ein ausreichendes Drehmoment aufbringt.
1. Die Formel zur Berechnung des inkrementalen Drehmoments für einen einzelnen Mikroschritt lautet:
Ist die Summe aus Lastmoment plus Motorreibung und Rastmoment größer als das Inkrementalmoment pro Mikroschritt, dann müssen konsequenterweise mehrere Mikroschritte hintereinander ausgeführt werden – so lange bis das akkumulierte Inkrementalmoment größer als die o.a. Summe ist. Kurz gesagt: bei Ausführung eines Mikroschritts ist nicht sichergestellt, dass sich der Motor tatsächlich bewegt. Soll eine Drehrichtungumkehr erfolgen, kann eine erhebliche Anzahl an Mikroschritten erforderlich sein, bis die Bewegung erfolgt. Das ist deshalb so, weil das Wellendrehmoment vom gerade aktuellen positiven Wert auf einen negativen Wert verändert werden muss, bei dem ausreichend Drehmoment zur Verfügung steht, um die Bewegung in umgekehrte Richtung auszulösen.
Genauigkeit gegen Auflösung
Was geschieht bei einem Motor ohne Last? Wollen Sie Microstepping für eine präzise Positionierung nutzen? Naja, der Schrittmotor hat immer noch ein Reibungsmoment aufgrund seiner Lagerung und er hat ein Rastmoment (und zusätzliche störende Oberwellen). Sie müssen ausreichend Inkrementalmoment „aufwickeln“, um die Lagerreibung zu überwinden. Und das Rastmoment ist noch störender als die Lagerreibung, da es üblicherweise bei 5…20% des Haltemoments liegt. Manchmal wirkt das Rastmoment zusätzlich zum gesamten erzeugten Drehmoment. Es gibt aber auch Fälle, in denen es dem erzeugten Drehmoment entgegenwirkt. Auf jeden Fall stiftet es Chaos bei der generellen Genauigkeit. Es gibt in der Tat einige Hersteller, die „Mikroschritt“-Ausführungen ihrer Motoren anbieten. Bei einem Standard-Aufbau der Motoren versucht man in der Regel, das Rastmoment zu reduzieren. Das kann auf Kosten des Haltemoments gehen, um die Drehmoment/ Rotorlage- Kurve sinusförmiger zu machen, und es kann außerdem dazu dienen, die Linearität der Drehmoment-Strom-Kennlinie zu verbessern. Mit diesen Anstrengungen werden die Probleme des Mikroschrittbetriebs bezüglich der Genauigkeit zwar reduziert, aber nicht eliminiert. Nur spezielle magnetische Ausführungen (wie der FAULHABER DM1220 oder DM52100R) haben grundsätzlich kein Rastmoment.
Könnte man eine Tabelle mit Korrekturwerten verwenden, um die Ungenauigkeiten in Motor und Mikroschrittantrieb herauszurechnen? Das Problem dieses Ansatzes ist, dass die Tabelle nur für ein bestimmtes Lastmoment gilt und die Ergebnisse bei abweichendem Lastmoment schlechter sein können als ohne Verwendung der „kalibrierten“ Tabelle.
Neben der hohen Auflösung gibt es weitere überzeugende Gründe für den Mikroschrittbetrieb. Dies sind u.a.:
Trotz der höheren Auflösung, die der Konstrukteur mit Mikroschritten erreichen kann, wird die Genauigkeit also nicht verbessert. Allerdings sind reduzierte mechanische und elektromagnetisch induzierte Störpegel ein echter Gewinn. Der mechanische Drehmomentverlauf wird viel glatter und Resonanzprobleme werden reduziert. Damit kann man besser darauf vertrauen, dass der offene Regelkreis synchron bleibt und es ist weniger Verschleiß im mechanischen Übertragungssystem zu erwarten. Würde man die Anzahl an Mikroschritten pro Vollschritt ins Unendliche erhöhen, erhielte man das Betriebsverhalten eines zweiphasigen permanenterregten Synchronmotors.